22. Mai 2020
Kein Patent auf Pflanz und Tier!
Es ist offiziell – und wir haben gewonnen: Konventionell gezüchtete Tiere und Pflanzen sind nicht patentierbar. Was uns allen wohl selbstverständlich erscheint, war es für Unternehmen wie Bayer (Käufer von Monsanto), Syngenta und Carlsberg nicht: Sie haben hartnäckig für die Patente gekämpft. Ohne Patent können sie jetzt die biologische Information der Pflanzen und Tiere nicht kontrollieren und Gewinne damit erzielen!
Diese Erfolgsgeschichte ist eine längere und erzählt von Menschen, die Hand in Hand gearbeitet haben. Deshalb wollen wir die Höhepunkte dieser Geschichte hier mit Ihnen noch einmal Revue passieren lassen:
Im Jahr 2016 schlossen wir uns der Kampagne gegen Patente auf Brokkoli, Tomaten, Gerste und Lachs an, die bis dahin vor allem in Deutschland bekannt war. Wir mobilisierten über die Grenzen hinweg und machten die Kampagne zu einer wahrlich europäischen Anstrengung. Ein paar Monate später übergab ein breites Bündnis von Organisationen mehr als 800.000 Unterschriften und forderte ein "Nein" zu Patenten, die natürliche Organismen zum Privatbesitz multinationaler Konzerne machen.
Im Sommer 2016 übergeben Landwirte, Gärtner/innen und Aktivist/innen 800.000 Unterschriften gegen Patente auf Pflanzen und Tiere an das Europäische Patentamt in München.
Mit einem Appell allein war dem Europäischen Patentamt (EPA) aber nicht beizukommen. Also organisierten wir in einem breiten Bündnis den größten offiziellen Einspruch gegen ein Patent, den das EPA je gesehen hat. Gemeinsam reichten wir fast 65.000 Beschwerden gegen ein Patent auf eine Tomate ein, unterzeichnet von Bürger/innen aus ganz Europa. Das war überwältigend – das EPA konnte sie gar nicht alle auf einmal annehmen.
Im Juni 2017 konfrontierten wir das EPA mit einem Protest am Amtssitz in München. Wir starteten – passend zur Stadt mit der langen Bierbrautradition – eine Kampagne gegen einen Patentantrag auf Gerste, den Brauprozess und Bier. Die Unterschriften lieferte eine Bierkutsche, ganz traditionell gezogen von sechs Pferden. Eine Blaskapelle spielte auch noch auf.
Abgabe von Hunderttausenden von Unterschriften im Sommer 2017 gegen ein von der Firma Carlsberg beantragtes Patent auf Gerste, Brauerei und Bier.
Im Juli 2017 dann der erste große Erfolg in Brüssel: Als Folge der vielen Kampagnen stellte die Europäische Union klar, dass Pflanzen und Tiere keine Erfindungen des Menschen sind, sondern Natur und daher ein gemeinsames Gut. Das EPA akzeptierte diese Entscheidung nicht, legte aber immerhin die Genehmigungen für anhängige Patentanträge auf Eis. Aber: Es nahm weiter neue Anträge an.
Wir kehrten also ein Jahr später nach München zurück, um den Druck aufrechtzuerhalten – diesmal pünktlich zum Oktoberfest. Zusammen mit Freiwilligen von WeMove Europe und Aktiven von Partnerorganisationen haben wir dort Tausende Bierfans angesprochen, die auf dem Weg zum Fest am Europäischen Patentamt vorbeigingen. Für uns genau der richtige Ort, um Fähnchen zu verteilen. Keine Patente für Bier: Den Besucherstrom verwandelten wir so in eine Demonstration.
Bierfans auf dem Weg zum Oktoberfest gehen am EPA vorbei und werden von Aktivist/innen in vier Sprachen begrüßt. Kleine, aber tausende von Fähnchen signalisieren: Nein zu Patenten auf Bier, Brauen und Gerste.
Im Sommer 2019 schlossen wir uns dann einer breiten Koalition von Umwelt- und Bauernorganisationen an und unterzeichneten einen offenen Brief ans Patentamt. Diesmal ging es darum zu zeigen, dass es nicht nur um Pflanzen geht, sondern auch um Tiere wie Schweine, Schafe und Fischarten – in diesem Fall Lachs und Forelle.
Wieder im Sommer in München: Aktivist/innen einer breiten Koalition fordern ein Ende der Patente auf Pflanzen und Tiere. Dieses Mal geht es um Lachse und Forellen.
All das ist unsere Lesart der Geschichte. Aber wie Sie sich denken können, gibt es auch eine andere: Konzerne haben sich mit Händen und Füßen gegen unsere Forderungen gestemmt. Sie haben ihre Lobbyarbeit gemacht. Aber letzte Woche hat die Große Beschwerdekammer, das höchste Rechtsorgan des Europäischen Patentamts, ihr Rechtsgutachten veröffentlicht - und uns in unserem Bemühen bestätigt. Am 14. Mai 2020 haben wir gewonnen – und wir hoffen sehr, dass diese Entscheidung einem Jahrzehnt der juristisch absurden und chaotischen Entscheidungen im EPA ein Ende bereitet.
Wie so oft, können wir auch in diesem Fall die gute Mischung aus guten Argumenten, starken und erfahrenen Partnern und einer breiten internationalen Mobilisierung feiern. So geht Macht von unten! Eine Macht, zu der wir als WeMove Europe-Gemeinschaft beitragen konnten. Das alles verdanken wir Ihnen und jedem einzelnen von uns – indem wir Appelle mit unserem guten Namen unterzeichnen, Forderungen mit Freunden und Familie teilen und spenden, wenn wir können.
Unser besonderer Dank gilt unseren Partnern No Patents On Seeds und Campact. 2016 lud uns Campact ein mitzumachen – eben weil diese Geschichte eine europäische ist und wir da an der richtigen Stelle sind.
Die Aktiven von No Patents on Seed sind die wahren Treiber dieser Kampagne. Es ist ihrem ausgezeichneten Fachwissen und ihrer kontinuierlichen Recherche zu verdanken, dass wir zum richtigen Zeitpunkt über alle Informationen verfügten, um über Grenzen hinweg mobilisieren zu können.
Es ist immer befriedigend, einen Sieg zu feiern. Aber wir wissen auch um die starken Interessen der Konzerne, allgemeine Güter zu Privateigentum zu machen. Sie werden nach Schlupflöchern suchen. Deshalb müssen wir wachsam bleiben. Wir werden Ihre Stimme sicher wieder brauchen. Und auch Ihre Spende. Bitte überlegen Sie, ob Sie heute spenden wollen. So können wir morgen den Konzernen mit Macht die Stirn bieten.